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CARITAS ZÜRICH
SENSIBILISIERUNGSKAMPAGNE

«WIR SIND ARM»

Portemonnaie2.JPG
GO GUERILLA!
GUERILLA KAMPAGNE

In Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Thomas Meyer (der damals noch als Werber tätig war) wurde eine Serie von auffälligen und überraschenden Guerilla-Massnahmen ausgearbeitet, deren Ziel es ist, der Bevölkerung das Lebensgefühl ihrer armutsbetroffenen Mitmenschen zu vermitteln. Die Frage «Wie würden Sie sich fühlen?» zog sich dabei als tragendes Element durch die unterschiedlichen Massnahmen. 

Die kreativen Botschaften platzierte ich im April 2010 und somit im Vorfeld zum «Tag der Armut», dem 24. April, in den Städten Zürich und Winterthur und in aller Öffentlichkeit. Begleitend dazu habe ich Passant*innen auf die Aktionen angesprochen und in gefilmten Kurzinterviews zum Thema bzw. zu den eigenen Erfahrungen und Meinungen befragt.

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Die Aktion «Portemonnaie» wurde von der Caritas Luzern übernommen. Die Aktion «Bettler» ist zusätzlich in Bern zum Einsatz gekommen und zwar im Rahmen des «Welttages zur Überwindung der Armut». Die Guerilla-Kampagne wurde von der Presse rege aufgegriffen und fand auch in auflagestarken Medien wie «20 Minuten» und «Blick am Abend» Beachtung. 

Eingefangen,mitgegangen
PERFORMANCE

Zusammen mit den Theaterschaffenden Peter Grünenfelder (Zürich), Heiko Senst (Berlin) und Marcel Schwald (Basel) wurde eine Performance erarbeitet, die das Thema «Armut in Zürich» humoristisch, symbolträchtig und überraschend aufgriff. Die Idee war es, nicht nur schwere Geschichten und Schicksale aufzuzeigen, sondern mit Witz und Kreativität einen Zugang zum «Zuschauer» zu schaffen, ihn selbst ins Geschehen zu verwickeln und so zum Denken anzuregen.  

In der Überzeugung, dass Armut zum Thema gemacht werden soll, ohne aber gespielt oder vorgeführt zu werden, verzichteten die Theaterschaffenden bewusst auf die Darstellung von Betroffenen. Wir fuhren auch nicht auf der Mitleidsschiene, sondern arbeiteten mit Symbolik, mit Ikonen der Ideologie, mit dem Kontrast, also mit Reichtum. Vier Robin Hoods wirkten als Späher, die Passant*innen jagten. Wer gefangen war, wurde an verschiedene Figuren weitergereicht und mittels Gesprächen zur Auseinandersetzung einladen. 

 

Nach und nach landete man vom Assoziativen beim Konkreten: der Armut in Zürich. Auf einem Pull-Rodeo konnte der Passant gegen die gängigen Kräfte ankämpfen, die hierzulande zu Armut führen – also zum Beispiel gegen Krankheit. Oder die Kündigung. Darüber hinaus war die «wir sind arm»-Ausstellung Teil der «Kulisse». Und letztlich bot eine Videobox die Möglichkeit, der meist versteckten Armut in Zürich ein Gesicht und eine Stimme zu verleihen, indem die Passanten eine der Ausstellungs-Aussagen in die Kamera sprachen.

AUS satz WIRD BILD
AUSSTELLUNG

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – aber was tut man, wenn die Bilder fehlen? Ich wählte treffende Worte und liess beim «Rezipienten» selbst neue, wichtige und hoffentlich richtige Bilder entstehen. Das jedenfalls war die Idee der Ausstellung «wir sind arm». Ich habe also bewusst darauf verzichtet, nach Fotografien zu suchen. Stattdessen wurden zwölf Sätze erarbeitet und präsentiert, die Armutsbetroffene gesagt haben – und die kein Mensch will sagen müssen. Schlicht und ergreifend.

In der Ausstellung ging es um Mädchen, die ohne Geschenk an den Kindergeburtstag müssen, um Ferien, die zwischen Supermarktregalen verbracht werden, um Singles, die allein bleiben, weil sie niemanden auf ein Glas Wein einladen können… und es ihnen aufgrund der schwierigen Lage an Selbstvertrauen fehlt. Es ging um ein beklemmendes Lebensgefühl, das vielen Menschen fremd ist, die noch nie in einer entsprechenden Notlage waren.

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Mein Ziel war es, dass die Konfrontation mit derart starken, teils verstörenden Aussagen beim einzelnen Fragezeichen aufwirft: Was steckt dahinter? Wer könnte den Satz geäussert haben und warum? Wäre es möglich, dass mich so ein Gedanke selber mal plagt? Oder jemanden, den ich kenne? – Die klare Verortungen fand man zwar in einer Begleitbroschüre, doch wohl genauso wahr wie die Ursprungsgeschichten sind die erdachten Episoden der Betrachter. 

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DAS WORT ERTEILT!
scheibwerkstatt

Niemand weiss über die Lebensumstände der Armutsbetroffenen in Zürich besser Bescheid als sie selbst. Entsprechend gilt es, ihnen das Wort zu erteilen, sie berichten zu lassen und so einen direkten Zugang zu schaffen zur Öffentlichkeit. Um diese authentische Buchstaben-Brücke zu schlagen, habe ich zusammen mit der Schriftstellerin und erprobten Kursleiterin Tanja Kummer kurzerhand eine Schreibwerkstatt eigens und ausschliesslich für Armutsbetroffene ins Leben gerufen. 

Die «wir sind arm»-Schreibwerkstatt lud Menschen, die nicht ohne finanzielle Hilfe über die Runde kommen, dazu ein, selber zu erzählen: Welche Umstände haben sie in ihre derzeitig prekäre Lage geführt? Welche Wünsche bleiben unerfüllt und was belastet im Alltag besonders? An drei Kurstagen sind teils sehr persönliche Episoden entstanden: kurze und gekonnt erzählte Passagen aus den Leben der Teilnehmenden.

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Die Schreibwerkstatt erachte ich auch heute noch als besonders wertvolles Teilprojekt, zumal die Teilnehmer*innen unter der Leitung von Tania Kummer richtiggehend aufgeblüht sind: Gemeinsam haben sie den Mut entwickelt, sich die finanziellen Probleme von der Seele zu schreiben und auf blosses Papier zu bannen, was sonst in der Kopf-, Herz- und Magengegend plagt. Neben Courage wurde dabei auch viel Talent gezeigt!

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Im Verbindung mit meiner Masterarbeit an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) hat mir Caritas Zürich die Möglichkeit gegeben, die Schreibwerkstatt wieder aufzunehmen. Dafür bin ich sehr dankbar. Seit 2014 führe ich den Kurs jährlich und in Co-Leitung mit Tanja Kummer durch, zusätzlich wurde ein Alumni-Kurs ins Leben gerufen, bei welchem alle ehemaligen Teilnehmer*innen eingeladen sind, sich an einzelnen Abenden ihrem Schreiben zu widmen.

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Mehr dazu: siehe Schreibkurse & Workshops

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